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HANS HENNY JAHNNS SURREALISTISCHER ROMAN
"DIE NACHT AUS BLEI" ODER DIE KRITISCH¬
DEPRESSIVE STIMMUNG DER DEUTSCHEN AUTOREN
NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
"Die Nacht aus Blei", the Surrealist Novel of Hans Henny Jahnn Or After
the Second Word, The Critical And Depressive Feelings of German Writers
Fýrat Üniversitesi Sosyal Bilimler Dergisi
Fýrat University Journal of Social Science
Cilt: 15, Sayý: 1, Sayfa: 103-111, ELAZIÐ-2005
ÖZET
Alman yazarlar 50'li yýllarýn baþýna kadar Hitler rejimini ve savaþý konu ettiler. Ancak 50'li
yýllardan sonra, özellikle her iki Alman devletinin kurulmasýndan sonra yeni toplumsal sorunlarý
dile getirdiler. Öncelikle Alman halkýnýn karmaþýk dünyasýný ve çaresizliðini anlattýlar. Bu sorun
yalnýz halký ilgilendirmiyordu, yazarlar da bundan etkilenmiþti. Çünkü zorunlu göçten dönen
yazarlar hala büyük bir þok içindeydiler. Ümit ettikleri Almanya'yý kuramamýþlardý. Onlar için
yeniden "Draussen Vor der Tür" (Dýþarýda Kapýnýn Önünde) dönemi baþlamýþtý. Bundan dolayý
50'li yýllar bir çok yazar için, hayal kýrýklýðý yýllarý oldu. Bu yazarlar arasýnda Hans Henny
Jahnn'da vardý. Jahnn, toplumsal eleþtiriyi diðer yazarlardan farklý bir anlatým biçimi ve tekniðiyle
gerçekleþtirdi. Diðer yazarlar, toplumsal eleþtiriyi gerçekçi bir anlatým biçimiyle edebiyata
taþýrken, Jahnn somut toplumsal ve politik olaylarý sürrealist bir biçimde anlatýr. "Die Nachr aus
Blei" (Kurþundan Bir Gece) romaný bu düzlemde bir çok sürrealist örneklerle doludur.
Anahtar Sözcükler: Hitler rejimi, toplumsal sorunlar, toplumsal eleþtiri, yönelim,
ümitsizlik, hayal kýrýklýðý, sürrealist, göçmen yazar
ABSTRACT
The subjects of German writers' have been war and Hitler's regime until the earlier period
of 1950's. But after that date, especially in the following years of two both German states existence
the writers have mentioned about new social problems. Previously, they wrote about german
people's orientation and helpless. Not only the people but also the emigrant writers had a great
disappointment. "Draussen vor der Tür" had started for them again. The years of 1950's were
disappointing for many writers. Hans Henny Jahnn was also one of them. Jahnn did his social
criticism more differently than the other writers. He told the real social and political events in a
surrealist way. His "Die Nacht aus Blei" novel is full of with various of surrealist samples.
Key Words: Hitler's regime, social problems, social criticism, orientation, helpless,
disappointment, surrealist, emigrant writer
Die deutschen Autoren, die bis zum Anfang der fünfziger Jahre in ihren Werken
das Hitler-Regime und den damit verbundenen Zweiten Weltkrieg behandelt haben,
beginnen sich nach der Gründung der beiden deutschen Staaten mit den neuen
gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen. An erster Stelle bringen sie in ihren
Werken die Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit des westdeutschen Volkes zur
Sprache. Denn neben dem Volk erleiden auch viele Autoren, die aus der Emigration
wieder nach Deutschland zurückgekommen sind, einen großen Schock wegen der
Ereignisse, die sich in Deutschland vollzogen haben. Es beginnt für sie wieder "Draußen
vor der Tür". Deswegen sind die fünfziger Jahre in vieler Hinsicht enttäuschend für die
Schriftsteller, so auch für Hans Henny Jahnn. Denn Jahnn ist auch ein Emigrant. 1934
sieht er sich wegen seiner linken politischen Überzeugung zur Emigration gezwungen.
Nach dem Untergang des Nationalsozialismus kehrt er nach Deutschland zurück. Jahnn
bringt seine Stimmung nach der endgültigen Rückkehr nach Deutschland mit folgenden
Sätzen zum Ausdruck: "Alle meine Freunde von eins, soweit sie nicht tot sind, haben
sich auf die eine oder andere weise von mir zurückgezogen oder sind dabei es zu tun.
Hamburg ist für mich eine Fremde Stadt geworden. Warum? Weil ich den Anspruch
gestellt habe und noch stelle, kein bürgerliches Leben vortäuschen zu müssen. Ich bin zu
alt und zu isoliert für diesen Schwindel." (Uwe, 1987: 270)
Hans Henny Jahnns Kritik an die gesellschaftliche Entwicklung seines Landes
findet ihren ästhetischen Ausdruck aber in seinem Roman "Die Nacht aus Blei". Trotz
seines komplizierten Themas, enthüllenden Stils und seiner Technik traumhafter
Motivverknüpfung, die das Verständnis des Werkes erschweren, habe ich eine solche
schwierige Arbeit übernommen, um Hans Henny Jahnns literarische und politische
Meinungen in der Türkei bekannt zu machen. Ich muss hier gestehen, dass ich mit meiner
kleinen Arbeit diesen Roman und auch Jahnn dem Leser nicht vollständig vorstellen
kann. Aber ich trage die Hoffnung, dass meine Untersuchung den türkischen Germanisten
einen kleinen Beitrag leisten werde. Wenn meine Arbeit bei den Germanisten zu einer
Weiteruntersuchung über Jahnn das Interesse erwecken könnte, dann kann ich mein
hauptsächliches Ziel mit dieser Arbeit erreichen.
"Die Nacht aus Blei" ist eine Traumerzählung und deshalb erscheinen die
Ereignisse im Roman nicht hintereinander wie in einem realen Roman. Das aber
erschwert uns, von Anfang bis Ende die Fabel des Romans wieder zu geben. Der Prosa
beginnt mit einem in kursiv gedrucktem Zitat, dessen Verfasser dem Leser nicht genannt
wird: " Ich verlasse dich jetzt. Du musst alleine weitergehen. Du sollst diese Stadt, die du
nicht kennst, erforschen" (Jahnn, 1999 : 7)
Nach diesem Zitat begegnet der Leser der Hauptperson des Romans Matthieu, der
während seines Aufenthalts im Gefängnis einen Alptraum hat. Aber der Grund seiner
Gefangenschaft ist für den Leser unbekannt. "Die Nacht aus Blei " hängt thematisch mit
einem anderen Roman des Autors, "Jeden ereilt es", zusammen. Am Ende dieses
Romans gerät Matthieu 1 in den Verdacht, der Mörder seiner Schwester zu sein, weil er
seinen Freund, Garie, den wahren Täter, nicht verraten will. Deswegen befindet er sich
jetzt im Gefängnis.(Jahnn, 1999 : 167) Mit dem Auftreten von Matthieu, dessen Alter der
Leser nach einpaar Seite erfährt, dreiundzwanzig, beginnt der Erzähler mit einer
pessimistischen Umweltbeschreibung. Matthieu befindet sich in einer seltsam fremden,
von endloser Nacht umfangener Stadt. Diese Beschreibung erinnert uns an die
expressionistischen Motive, wie Nacht, Dunkel, Schwarz, Finster:" Er erkennte dies: dass
es N a c h t war ein s c h w a r z e r Himmel ohne Sterne.“ (Jahnn, 1999 : 247)
Bei seinen Wanderungen in einer fremden Stadt gerät er in Verzweiflung, weil er
weder einem lebendigen Wesen begegnet noch ein erleuchtetes Fenster sieht. Manchmal
fühlt er die Wärme und Anwesenheit eines anderen, dessen Gestalt aber wieder
verschwindet, "weggewischt wie die Stimme."( Jahnn, 1999 : 247) Matthieu fragt sich
selbst: "Ich habe die Wahl, nach rechts oder nach links zu gehen. Wohin werde ich mich
also wenden, da ich hier fremd bin, kein Zuhause habe und niemanden kenne, der mir
raten könnte." ( Jahnn, 1999 : 7)
In der Ferne entdeckt er ein einziges erleuchtetes Fenster, hinter dem er einen
Menschen sieht, der ihm ähnlich aussieht. Auf dem Weg zu diesem Haus denkt er an sich
selbst und versucht die Ursache zu finden, warum alle Bewohner dieser großen Stadt
schlafen " als wäre sie keine Stadt, sondern ein Feld irgendwo im Dunkel." (Jahnn, 1999
:8) Er begründet diese Tatsache damit, dass er die Sitten der Einbewohner nicht kenne.
Während ihn dieser Gedanke beschäftigt, hält ihn ein junger Mann mit Uniform an
und blockiert ihm den Weg. Er lässt eine Taschenlampe aufblitzen, gibt ihm eine Karte zu
lesen. Er liest: "Elvira empfängt in anheimelnden Salons. Sandwichs. Weine Hübsche
Brüste. Einzigartige Verwandlungen. Einmalige Unterstützung 150 fr. Niemand wird
bereuen, Elvira geholfen zu haben." (Jahnn, 1999 : 252)
Nach ein paar Seite erfahren wir, dass dieser Junge Franz ist, der "Eselchen" oder
Groom" genannt wird. Franz versucht, Matthieu zu Elvira," der Dame des Hauses", zu
bringen. Matthieu hört die Stimme einer Frau, aber er sieht niemanden. Hier für findet er
keine Erklärung. Inzwischen ’’findet sich die Wand, und eine Tapetentür " wird
geöffnet. Dort sieht Mathieu eine hübsche Frau, die ihn anlächelt. Diese Frau versucht,
Matthieu zu verführen, doch es gelingt ihr nicht, da Matthieu entdeckt, dass Eselchens
und Elviras Körper leer sind. Er erlebt die ungewöhnlichen Geheimnisse und weicht vor
der drohenden Auslöschung, die sie repräsentieren, entsetzt zurück. Zwischen Elvira und
Matthieu finden über diese Geheimnisse viele Gespräche statt. Dabei gesteht sie auch,
dass sie keinen Körper hat, und nichts Natürliches ist.
" Was Sie sehen, Matthieu, ist Schminke, nichts Natürliches- etwas Wächsernes,
nur die Form der Form- doch weder ihre Farbe noch ihr eigentlicher Reiz. Der Mensch ist
anders. Ich bin eine andere, als ich scheine. Auch Franz ist ein anderer." ( Jahnn, 1999 :
263)
Nach diesen und ähnlichen Gesprächen bringen die beiden "Schatten" Matthieu zur
Verzweiflung, indem sie verschwinden. Während Mathieu durch die Stadt geht, spricht
ein Junge ihn von hinten an: "Haben Sie nicht eine Zigarette für mich." ( Jahnn, 1999 :
56)
Matthieu erkennt in diesem Jungen sich selbst im Alter von 16 Jahren wieder." Es
ist mein Spiegelbild von damals," denkt er. Da die beiden in der Stadt fremd, hungrig und
ohne Bett, ohne Zuhause sind, suchen sie ein Gasthaus, um zu essen und zu trinken, Sie
finden nur ein Offengelassenes Gasthaus, wo es außer einem Tropfen Wasser nichts gibt.
Im Gasthaus finden viele Gespräche zwischen Mathieu und der Kellnerin statt.
Die Gestalt, die sich selbst "ANDERS" nennt, führt Matthieu in eine
Kellerwohnung. Auf dem Weg fühlt Anders sich müde und ohne Kraft, einen Schritt
vorwärts zu gehen. Deswegen sagt er zu Matthieu, dass er ihn entweder am Wege liegen
lassen oder auf seinen Armen tragen solle. Daraufhin trägt Matthieu Anders auf den
Schulter durch die" verschneiten" Strassen. In der Kellerwohnung entblößt Anders eine
blutende Wunde, die er am Unterleib hat, die jener in Kafkas "Landarzt" auffallend
ähnelt. Anders bittet Matthieu darum, dass er für ihn einen Arzt von einer anderen Stadt
suchen soll, weil die Ärzte dieser Stadt schlafen, und sie " schwarz" sind. Darüber hinaus
erzählt Anders von den Einwohnern der Stadt mit den schwarzen Leibern, welche die
Weißen verfolgen und Tag für Tag verwunden, bis sie allmählich verbluten.
Anders steigt in die "Bettgruft" und stirbt. In Panik erkennt Matthieu, dass er in der
steinernen Dunkelheit eingemauert ist. Er sagt plötzlich:" Die Finsternis ist unerträglich
(...) Ich kann nicht weiter. Ich bin gefangen." ( Jahnn, 1999 : 313)
Bei Anders Tod findet er seinen Freund Garie in Gestalt eines Engels; Im Tod
findet er die ewige Liebe. Am Ende wird er selbst in den Armen des Engels Garie
fortgetragen.
Kritisch- surrealistische Zeitbetrachtung
In Matthieus Gestalt erzählt Hans Henny Jahnn die Stimmung der Emigranten und
verrät er dabei auch etwas über sich und die anderen Autoren durch die Selbstgespräche
dieser Person. Jetzt versteht es sich, warum er in seinem Roman die allgemeinen Gefühle
und Gedanken der rückkehrenden Schriftsteller in den fünfziger Jahren ausdrückt. Er
unterscheidet sich bei der literarischen Wiedergabe der Zeitgeschichte von anderen
Nonkonformisten. Also gelingt es Jahnn, die konkreten zeitgeschichtlichen und
politischen Probleme seiner Zeit in einer Art der surrealistischen Darstellung zum
Ausdruck zu bringen. Sein Roman zeigt thematisch viele Beispiele von der
surrealistischen Bildern. Auf den ersten Blick fällt uns auf, dass es sich in diesem Roman
nicht um "die Reinmetapher", mit der man eine Serie von miteinander verbundenen
Metaphern meint, handelt, aber der ganze Roman ist voll mit den surrealistischen
Bildern.
Jahnns surrealistische Bilder bezeichnen sowohl die Gesellschaft, wie auch das
Individuum in einer total entfremdeten Gesellschaft, also die Nachkriegsgesellschaft.
Die in Frage kommenden surrealistischen Bilder verraten gleichzeitig dem Leser die
innere Welt der einzelnen Personen, besonders der Hauptperson Matthieu. Da der Roman
eine Traum-Erzählung ist, zeigt sich die innere Welt der Personen durch die im
Unterbewusstsein liegenden Ereignisse im Sinne von Freuds Psychoanalyse, z.B. träumt
Matthieu von seinem Freund, der ihn schon verlässt und sagt, dass Matthieu die Stadt,
die er nicht kennt, erforschen soll. Matthieu beginnt, durch die Stadt zu gehen und dabei
auch sich zu erforschen. Nachdem er sich eine Weile auf der gepflasterten Strasse
umgeschaut hat, beginnt er sich zu bewegen: " Während sein Geist sich anschickte, sich
zu verwundern, spürte er, dass er unbekleidet und in diesem Zustand ein ungehöriger
Fleck auf der Strasse war." ( Jahnn, 1999 : 7 )
Das auffallendeste surreale Moment, das den Mittelpunkt der Erzählung bildet, ist
die Vision von " Anders". Dabei macht sich die Überwindung des Einfach- Realen, des
logisch Rationalen und der traditionellen Vorstellungswelt durch die Gestaltung der
Vision bemerkbar; Matthieu begegnet seinem sechzehn jährigen Ich-Anders. Der Leser
fühlt sich wirklich in einer Traumatmosphäre in der wie ein Schock wirkenden Szene: "
Die Gestalt drängte Matthieu, der noch widerstrebte, seitwärts. Sie berührte ihn nicht;
aber der Schatten der Umrisse wirkte wie eine Kraft." (Jahnn, 1999: 252 ) "Weshalb
eigentlich bin hier? fragte er zerstreut." (Jahnn, 1999 : 14 )
Durch diese und ähnliche surrealistischen Bilder spiegelt der Autor in seinem
Roman die depressive Stimmung der Generation seiner Zeit wieder. Wie wir wissen,
wohnten eine Menge von Emigranten in den fünfziger Jahren zwar in Westdeutschland,
aber sie hatten andere politischen Ansichten als die Bonner Regierung, z. B. Jahnn, der
damals im PEN Zentrum als Generalsekretär tätig war, weigerte sich, gegen
Kommunismus und gegen die damalige DDR pauschal Stellung zu beziehen, während er
Westdeutschland, besonders seine Heimatstadt nicht verlassen will. Es gab viele
Schriftsteller, die ähnliche Einstellungen wie Jahnn hatten. Sie versuchen eine
Verständigung zwischen Ost und West herzustellen und vermitteln zwischen den beiden
deutschen Staaten. Aber dabei geraten diese Autoren meistens durch das Verhalten der
beiden Regierungen in Schwierigkeiten. Auf der einer Seite begann der damalige
Bundeskanzler gegen diese Schriftsteller eine Kampagne zu führen, auf der anderen Seite
können viele auch in der DDR keine Unterstützung finden. Sein Bedauern über das
Verhalten beider deutschen Staaten teilt er in einem Brief an Peter Heuchel mit: " Es ist
doch sehr traurig, dass man mich einen Dichter nennt, im Westen nicht kauft und im
Osten nicht zulässt. Dieses doppelte Gewicht der Verneinung wirkt sich innerlich und
äußerlich an mir aus." (Jürgen, 1986: 10)
All diese Spaltungen zwischen Jahnn und den neuen Regierungen finden ihrem
Ausdruck in Matthieus Gestalt. Jahnn führt seine Kritik an den beiden deutschen Staaten
durch Matthieu weiter. Matthieus Aussage über die Politiker weißt uns auf die Kluft
zwischen den Regierenden und Schriftstellern deutlich hin: " Sie kennen die Wirklichkeit
nicht; das behindert Ihren Geist " (Jahnn, 1999 : 64)
Schriftstellers Auseinandersetzungen mit der politischen Entwicklung ihrer Zeit
haben andere tiefen Gründe, die wiederum in Jahnns Roman zur Sprache gebracht
wurden. Die Angst der Autoren vor der Wiederbewaffnung und dem neu wachsenden
Kapitalismus in West-Deutschland sind die wichtigsten. Deswegen begegnet der Leser
im Roman den häufig verwendeten Motiven "ANGST", "TOD " und " FREMD und
KRIEG“, die in der Literatur der Kriegszeit, besonders in der Literatur des
Expressionismus immer wieder in Erscheinung kommen. Außer der literarischen Werken
bringt Jahnn immer von seinem Angst von dem möglichen Dritten Weltkrieg: „Ich habe
zwei sogenannte Weltkrieg erlebt und empfinde, dass der dritte bevorsteht.“ (Uwe, 1987
: 117) Nach ihm leben jetzt die Toten des Dritten Weltkrieges. Die Spüre dieser Angst
des Dichters sehen wir auch in seinem Roman „Die Nacht aus Blei“. Er äußert seine
Meinung, bzw. seine Furcht über einen zukünftigen Atom-Krieg durch seine Figur im
Roman wie folgt: "Die Menschen dieser Stadt sind durchschnittlich und haben ein
gewöhnliches Leben voller Mühen. Sie sind genügsam, fleißig und ordnungsliebend. Sie
wohnen ein Paar Jahrzehnte langem in ihren Häusern; dann werden sie entfernt,
verschwinden auf dem großen schwarzen Feld. Manche werden in den Fluss geworfen."
(Jahnn, 1999 : 43 ) "Es ist dort schrecklich. Es ist eine Wohnung zum Sterben. Ich will
nicht sterben." (Jahnn, 1999 : 50 )
Da die Liebe zwischen den Menschen den Mittelpunkt seines Werkes bildet,
beklagt er, dass, wegen des drohenden Atom-Kriegs und der in der kapitalistischen
Gesellschaft wachsenden Entfremdung, unter den Menschen, anstatt gegenseitiger Liebe,
Angst und Hass herrscht. Deshalb verwendet Jahnn im Roman nie Wörter wie "Sonne
und Frühjahr", welche die Liebe und den Frieden symbolisieren, sondern "Schnee, Nacht,
Dunkel". Indem er "Der graue Nachtschnee wird nicht so bald hinweggekommen."
(Jahnn, 1999 : 56 ) sagt, lenkt er auf einer Seite die Aufmerksamkeit des Volkes auf die
schwere Lage, in der es sich befindet, auf der anderen Seite rüttelt er die Menschen auf,
damit sie sich gegen die damalige Ordnung auflehnen.
Das westdeutsche Volk, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg in einer Art der
Orientierungslosigkeit befand, war nicht im Stande für seine Zukunft eine bestimmte
Politik zu finden. Darüber hinaus hatten die Menschen ihr Vertrauen zu den Regierenden
verloren. Hitler wurde auch wegen seines Versprechens, die Arbeitslosigkeit zu
beseitigen und den Menschen Wohl zu bringen, vom Volk gewählt. Matthieu ist das
Symbol dieser Menschen. Der dreiundzwanzig jährige Matthieu wird im Roman in eine
fremde nächtliche Stadt entlassen. Er weißt nicht, wohin er gehen soll. Jahnn bringt diese
Orientierungslosigkeit seines Volkes und Misstrauen gegenüber den Regierenden in "
Die Nacht aus Blei " aus der Sicht von Matthieu wie folgt zum Ausdruck: " Ich habe
die Wahl, nach rechts oder links zu gehen. Wohin werde ich mich also wenden, da ich
hier fremd bin. (,..)Wohin werde ich mich also wenden, da ich hier fremd bin, kein
Zuhause habe und niemanden kenne, der mir raten könnte?" (Jahnn, 1999 : 8 )
Die gesamte Stadt stellt sich auf dieser Ebene als Konstruktion der
Orientierungslosigkeit heraus. In dem irrealen und traumhaften Raum werden die
Figuren wie ein Spielball von den Mächten, also von "Engel" und "Dämonen",
gesteuert. Indem der Roman die Einsamkeit und Verlassenheit der Menschen angesichts
des geteilten Deutschlands demonstriert, übt er zugleich Kritik über die Politik der
damaligen beiden deutschen Staaten.
Jahnn beschreibt entsprechend dem Surrealismus, der den Traum als
korrigierende Ergänzung des Wachzustandes sieht, mit Matthieus Augen seine
Umgebung, die in der Realität die Hoffnungslosigkeit symbolisiert. Dass Matthieu in
der Langen Strasse nur ein erleuchtetes Fenster entdeckt und, dass alle Türen und Fenster
schwarz sind, zeigt die Ohnmächtigkeit und darüber hinaus die Hoffnungslosigkeit der
Menschen in den fünfziger Jahren. " In der Höhe verloren sich die Gebäude im Schwarz
des Himmels, unbegrenzt. Und alle Türen und Fenster waren schwarz, als wären es
Löcher vor dem Nichts." (Jahnn, 1999 : 8 )
Das unter aus dem Roman zitierte Gespräch zwischen Anders und Matthieu
demonstriert uns symbolisch die Grenze der Hoffnungslosigkeit der deutschen Autoren
nach dem Krieg ganz deutlich: „Ich kann nicht weiter. Ich kann nicht mehr sehr viel
weiter. Wir werden keine Herberge erreichen. Sie müssen mich am Wege liegen lassen."
(Jahnn, 1999: 62) Er fügte dazu auch, dass alle Türen verschlossen und verbolzt seien.
Oder betrachten wir ihre aus der Sicht des personalen Erzählers: Er hielt es
geradezu für unmöglich. Alle Türen seien verschlossen und verbolzt. Die politischen
Entwicklungen nach dem zweiten Weltkrieg und selbst Krieg nehmen, nach Jahn, dem
deutschen Volk nicht nur seine Hoffnung, sondern auch seine menschliche Züge wie
Liebe, Hilfe weg. Denn „ die Stunden haben Eigenschaften; sie bestimmen unser
verhalten.“( Jahnn, 1999 : 38) An Matthieus Begegnung mit der Dirne Elvira entfaltet
Jahnn dieses Motiv und die damit zusammenhängenden Probleme:
„ Er sah Elvira. (...)Schwärze ohne Glanz und Schatten, die nichts ausdrückte,
auch die Formen des Körpers nicht. (...) Matthieu konnte es nicht mehr denken, die
Gestalt zu berühren; (. ) Er betrachtete die Brüste mit vorgebeugtem Oberkörper und
fand sie denen Elviras nachgebildet, doch ins Schwarz entrückt, entfleischt,
entsinnlichter, als wären sie aus rissigem, ausdruckslosem Bimsstein.“( Jahnn, 1999 : 35)
Wie wir in den oben angeführten Beispielen gesehen haben, erzählt der Autor
zwar vom Traumhaften im Sinne des Surrealismus, aber er bevorzugte dabei meistens
die Elemente des Realen. Es gelingt ihm, durch den auktorialen und personalen Standort
des Erzählers, der alles und nichts zu wissen scheint, und traumhafte Erzählung im
Spiegel einer finsteren Stadt und einer verlassenen Gaststube die ganze politisch¬
gesellschaftlichen und auch individuellen Probleme seiner Zeit dem Leser zu
demonstrieren.
LITERATUR
Bürger, Peter (Hrsg.): Surrealismus. Stuttgart. 1982.
Freemann, Thomas (Hrsg.): Eine Biographie. Hamburg. 1986
F. K. Stanzel: Typische Formen des Romans. Göttingen. 1964
Jahnn, Hans Henny: Die Spuren des dunklen Engels; in Dramen. Frankfurt am Main.
1963
Jahnn, Hans Henny: Die Nacht aus Blei. Frankfurt am Main. 1999
Klein, Jürgen: Siegener(Hrsg.) Hans Henny Jahnn Kolloquium. Essen. 1986
Manthey, von Jürgen (Hrg.): André Breton. Die Manifest des Surrealismus. Hamburg.
1972
Meyer, Jochen: Verzeichnis der Schriften von und über Hans Henny Jahnn. Darmstadt.
1967
Schweikert, Uwe: Hans Henny Jahnn. Späte Prosa. Hamburg. 1987
Schweikert, Uwe: Hans Henny Jahnn. Späte Prosa. Hamburg. 1987
Wolffheim, Hans: Hans Henny Jahnn. Der Tragiker der Schöpfung. Frankfurt am Main.
1966
112
Der Autor gibt in seiner Erzählung keine deutliche Information über die Hauptperson, denn es geht
hier besonders um die innere Welt und die im Unterbewusstsein liegenden Vorstellungen des Romanhelden.
Bei solchem Thema spielt die konkrete Ortbestimmung keine große Rolle.