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UNIVERSALITÄT’ UND ORIGINALITÄT’ IM
ÜBERSETZUNGSDISKURS
Universality and Originality in Translation Discourse
Dokuz Eylül Üniversitesi, Fen-Edebiyat Fakültesi, Mütercim-Tercümanlýk Bölümü, Ýzmir.
Fýrat Üniversitesi Sosyal Bilimler Dergisi
Fýrat University Journal of Social Science
Cilt: 17, Sayý: 2 Sayfa:101-117, ELAZIÐ-2007
ÖZET
Bu makalede, çeviri bilim ve tarihinde farklý baðlamlarda gündeme gelen ‘özgünlük’ ve
‘evrensellik’ ile ilgili görüþlerin ardýnda yatan etmenler sorgulanmaktadýr. ‘Özgünlük ve
‘evrensellik’ konusunu irdeleyebilmek için, öncelikle ‘özgünlüðün’ ve ‘evrenselliðin’ ne anlamda
kullanýldýðýna ve bu bunlarýn hangi kavram ve ölçütlere dayandýrýldýðýna bakmak gerekmektedir.
Ýleri sürülen görüþlerin göreceliði, tarihsel bir yaklaþýmý gerekli kýlmaktadýr. Kavramlarýn bu
niteliði, bütünleyici bir tanýmlama yapmayý da zorlaþtýrmaktadýr. Ancak konunun anlaþýlabilmesi
için, bu görüþlerin oluþmasýnda etkili olan bazý kavram ve ölçütler vardýr. Bu baðlamda, çalýþmada
karþýt bir konum içerisinde sürdürülen çevrilebilirlilik-çevrilemezlik, yabancýlaþtýrma-
yerelleþtirme, akýlcýlýk-akýl dýþýlýk, kaynak ve erek dil odaklýlýk gibi kavram ve ölçütlerin
söylemleri nasýl geliþtirdiði irdelenmektedir.
Anahtar Kelimeler: Özgünlük, evrensellik, çevrilebilirlilik, akýlcýlýk, yabancýlaþtýrma,
yerelleþtirme, erek dil odaklýlýk.
ABSTRACT
This article questions the factors underlying the ideas related with originality and
universality which is found in different contexts of translation studies and translation history. To
explore originality and universality we must first of all define these terms paying particular
attention to related concepts and criteria. A historical approach is necessary because of the
relativity of the assertions, so it is hard to make an incorporating definition. However, in order to
make things clear we need to take into account some of the concepts and criteria which had an
impact on the formation of these ideas. Therefore in this article how discourses develop concepts
or criteria such as translatibility-untranslatibility, foreignization-domestication, rationality-
irrationality, source text orientedness and target-text orientedness, will be investigated.
Key Words: Originality, universality, translatibility, rationality, foreignization,
domestication, target-oriented approach.
Obwohl die Herkunft der Übersetzung so alt wie die Menschheitsgeschichte ist,
kann von einer einheitlichen Begriffserklärung im Übersetzungsdiskurs nicht gesprochen
werden. Das hängt damit eng zusammen, dass die Übersetzer sich mehr oder minder
lediglich auf bestimmte Texttypen, wie z.B. heilige oder literarische Texte, und darüber
hinaus auf einzelne spezifische Übersetzungsprobleme konzentrierten. Die
diesbezüglichen Erörterungen führten aber nicht zu einer umfangreichen Theoriebildung,
so dass die meist aus einer werkimmanenten Betrachtung hervorgegangenen Definitionen
und Erklärungen zu diesem Thema notgedrungen begrenzt blieben. Sie genügen
jedenfalls nicht den heutigen Ansprüchen der Übersetzungswissenschaft. Doch gibt es
manche Anhaltspunkte, die seit Jahrhunderten immer wieder diskutiert werden und im
Übersetzungsdiskurs eine gegensätzliche Einstellung symbolisieren. In dieser Studie wird
versucht, die ‘Originalität’ und die ‘Universalität’ als zwei übergeordnete Begriffe, die
die Reflexionen über das Übersetzen stark geprägt haben zu untersuchen. Ziel dieser
Arbeit ist es, die ‘Originalität’ und die ‘Universalität’ als zwei übergeordnete Begriffe,
die die Reflexionen über das Übersetzen stark geprägt haben, näher zu untersuchen.
Damit soll diese von der Übersetzungsforschung bislang nur oberflächlich behandelte
Problemstellung um eine neue Annäherungsweise erweitert werden. Mit diesem Artikel
soll der Versuch unternommen werden, den Zusammenhang zwischen einigen
ausgewählten Begriffen in einem neuen Licht zu betrachten. Um sich vorab ein
übersichtliches Bild über dieses Thema machen zu können, ist es zunächst notwendig,
einige Begriffe, die in Zusammenhang mit der ‘Originalität’ und ‘Universalität’ stehen, in
Frage zu stellen und sie als ganzheitliche Problematik zu betrachten.Aus diesem Grund
werden in dieser Studie gegensätzliche Einstellungen, die hier behandelt werden, nicht
voneinander getrennt, sondern als Bestandteil einer relativistischen Auffassung bewertet.
In diesem Rahmen ist es sinnvoll, Kriterien bzw. Begriffe, wie Rationalität-Irrationalität,
Übersetzbarkeit-Unübersetzbarkeit, Verfremdung-Einbürgerung, Treue-Freiheit, nicht in
einer extremen Dualität, die die Vielseitigkeit der Übersetzung verdeckt und zu falschen
Ableitungen führt, zu sehen. Diese Kriterien bzw. Begriffe, die sowohl unter
‘Originalität’ als auch unter ‘Universalität’ eingestuft werden können, haben flexible
Eigenschaften. Um dieser Problematik näher zu kommen, lohnt es sich, zu hinterfragen,
was mit ‘Originalität’ und ‘Universalität’ gemeint ist. Mit anderen Worten gesagt, wie
originell und universell kann eine Übersetzung sein? Ist die ‘Originalität’ eines Textes in
eine andere Sprache übertragbar/übersetzbar? Die Antwort auf diese Fragen kann nur
beantwortet werden, indem zuerst darstellt wird, wie die Originalitäts- und
Universalitätsproblematik in der Übersetzungsgeschichte aufgefasst wurde. Denn diese
Problematik hängt nicht nur mit der Textbezogenheit ab, die nur mit sprachlichen
Kriterien erklärt werden kann. Hier spielen hauptsächlich auch andere Faktoren, wie die
Entstehungszeit einer Übersetzung, außersprachliche Faktoren, die aus soziokultureller
Perspektive sowohl das Originalwerk und die Übersetzung als auch die Leser
beeinflussen, und zuletzt die Einstellung des Übersetzers, sich allesamt ändern können,
eine entscheidende Rolle.
II. Die Herkunft der Begriffe aus historischer Perspektive
Wie bekannt sind soziokulturelle Faktoren, wie in anderen
geisteswissenschaftlichen Bereichen, bei der Bestimmung von Kriterien oder Begriffen
sehr relevant. Historisch-orientierte Studien über ein Thema zeigen meist, dass viele
Begriffe sich mit der Zeit ändern können. Jede Definition und ihre gegensätzliche
Position ist eigentlich eine Ausnahme für sich, die mit ihrer Entstehungszeit im
Zusammenhang steht und nicht generalisiert werden kann. Wie Peter V. Zima in seinem
Artikel „Der unfassbare Rest. Die Theorie der Übersetzung zwischen Dekonstruktion und
Semiotik“ mit Recht hinweist, sind
„(...) dialektische Verknüpfungen der Extreme möglicherweise sinnvoller und
furchtbarer als eine steriles Gegeneinander von Rationalismus und Romantik, Inhalt und
Ausdruck, Begrifflichkeit und Begriffslosigkeit.“ (Zima, 1996: 19)
Zimas Auffassungen beruhen auf zwei Komponenten, die er als nationalistische’
Idee der Zeichenäquivalenz und die ,romantische’ Idee der Unübersetzbarkeit bezeichnet.
Um diese gegenübergestellten Ideen besser zu verstehen, die für diese Studie von
Bedeutung ist, sollten diese Bezeichnungen näher dargestellt werden. Dabei ist zu fragen,
wie sich die Rationalität und die romantische Auffassung auf den Übersetzungsdiskurs
widerspiegeln und welche Folgen er für die Übersetzungstheorie mit sich bringt. Auch
sollte man bemerken, dass die Texttypologie entscheidend für die begriffliche
Unterordnung ist.
Die Übersetzer, die die Übersetzung aus rationalistischer Perspektive zu begründen
versuchten, waren allgemein der Auffassung, dass die Übersetzung nichts anders als ein
mechanischer Austausch sprachlicher Zeichen sei. Da für die Rationalisten die Vernunft
universell ist und die Sprache für alle Menschen die gleiche Realität widerspiegelt, ist
jeder Text problemlos in eine andere Sprache übersetzbar. Die Aufgabe des Übersetzers
war, einen ausgangssprachlichen Text gleichwertig in einen zielsprachlichen Text
umzuwandeln, indem die Wörter und der Bedeutung der Sätze in der Zielsprache
beibehaltet werden sollten. Die Auffassung, dass die Sprache nach logischen Regeln
funktioniert, hat den Gedanken an eine Universalsprache verstärkt. Diese Entwicklung
hängt auch mit dem Zeitgeist der Epoche zusammen. Zum Beispiel haben sich
Philosophen, wie Leibniz, Wolff, Descartes und Port-Royal, intensiv mit einer
Universalsprache beschäftigt. Port-Royal hat sogar im Jahre 1660 eine Grammatik
verfasst, die unter dem französischen Rationalismus auf ein „(...) Konzept allgemeiner
logischer Formen (basiert)“1 (Stolze, 1993: 29) Die rationalistische Struktur der Sprachen
führte unmittelbar zu einer Übersetzbarkeitsauffassung. Doch richtete sich diese
Auslegung auf die Wiederholbarkeit des Ausgangstext-Inhalts. Die Inhaltsbezogenheit
der Rationalisten kann mit Funktionalität der Übersetzung begründet werden. Die
Entwicklung der eigenen Sprache und die Verbreitung der Literatur, die für die Erziehung
des Menschen in der Aufklärung unentbehrlich waren. Daher orientierten sich die
Übersetzer bei der Übersetzung nicht an der Ausgangssprache, sondern mehr an der
Zielsprache. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist es verständlich, dass Johann Christian
Gottsched (1700-1766) in seiner 1732 gegründeten Zeitschrift „Beyträge zur Critischen
Historie der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit“, wo man sich auch mit Fragen
über das Übersetzen befasst hatte, betont, dass Übersetzungen für die Muttersprache und
den Leser eine nützliche Beschäftigung ist. (vgl. Huber, 1968: 26) Das ist auch der
Grund, warum die Erwartungen und der Geschmack des Lesers bei der Übersetzung
berücksichtigt wurden, die für die Verständlichkeit ein relevantes Kriterium bildete.
Ausgehend von diesen Auffassungen, die eine allgemeine Tendenz in der
Aufklärung repräsentierten, kann behauptet werden, dass die Übersetzung mit den
anderen ausgangssprachlichen Werken gleichgesetzt wurde. Dies kann ohne weiteres als
ein Zeichen für ein ,zweites Original’ gewertet werden.2 Doch sollte nicht vergessen
werden, dass es im 18. Jahrhundert auch Übersetzer, wie Breitinger gab, die der Ansicht
waren, dass ausgangssprachliche Stileigenschaften im Zieltext gerecht übersetzt bzw.
beibehalten werden sollten. (vgl. Senger, 1971: 63-67) Allgemein betrachtet, ist es
durchaus legitim zu sagen, dass Auffassungen, die auf einer rationalistischen Erklärung
beruhen bzw. die menschliche Vernunft zum generellen Maßstab nehmen, sich eher der
, freien’ Übersetzung wenden. Diese Aussage trifft auch auf die Bestrebungen in der
Aufklärung zu, wo die deutsche Sprache und deren Stil in den Vordergrund gestellt
wurden.
Ganz anderer Natur ist die rationalistische Einstellung in der
Übersetzungsgeschichte für heilige Texte. Übersetzungen von heiligen Texten, die Wort-
für-Wort übersetzt wurden, verweisen im Gegensatz zur Aufklärung auf eine andere Art
von Rationalität. Anders als literarische Texte, die auf einer fiktiven Basis beruhen,
werden heilige Texte vom Inhalt her als ,unantastbar’ angesehen. (vgl. Klöpfer: 1967: 31)
Auch die ausgangssprachliche Textform, die den Inhalt beeinflusst, wird als heilig
angesehen. Aus diesem Grund wurde ein Wort mit einem formal gleichwertigen Wort in
der Zielsprache ausgetauscht. Sogar Martin Luther, der für eine einbürgernde
Übersetzung war, hatte die Ansicht vertreten, dass auch er an manchen Stellen dem
Ausgangstext treu blieb. (vgl. Luther, 1973: 25) Die mechanische Übertragung in eine
andere Sprache verweist auf eine rationalistische Einstellung, die dem Übersetzer außer
dem Original keine Flexibilität in der sprachlichen Auswahl lässt. Die rationalistische
Tendenz in der Übersetzung, die in der Aufklärung mit der Vernunftsauffassung
zusammenhängt, hat im Gegensatz zu der Übersetzung von heiligen Texten, dazu geführt,
dass zugunsten der deutschen Sprache der Ausgangstext verändern werden konnte.
Obwohl diese Ansicht mit der Rationalität in Konflikt steht, wird in der Aufklärung die
auf ,irrationaler’ Basis gegründete Einmaligkeit des Originaltextes in der Übersetzung
überwunden.
Der Rationalitätsgedanke verliert im 18. Jahrhundert mit der Aufblühung nationaler
Gefühle und Gedanken seine Bedeutung. Nationale Interessen und historische Arbeiten
im Bereich der Sprache und Literatur erreichen in diesem Jahrhundert ihren Höhepunkt.
Die romantischen Schriftsteller-Übersetzer, die für die Entwicklung des
Übersetzungsdiskurses vieles beigetragen und mit ihren Ansichten sie stark prägt haben,
haben in der Übersetzung auf die Unterschiede von Nationalsprachen hingewiesen. Das
Bewusstsein der Schriftsteller-Übersetzer, das jedes Werk historisch bedingt und daher
einmalig ist, wurde nicht wie in der Aufklärung - aus der eigenen Sprache/Kultur
betrachtend - vernachlässigt, sondern als ein Gewinn für die eigene Sprache bewertet.
Aus diesem Grund spielte das Bewahren fremder Elemente in der Übersetzung eine
relevante Rolle. Diese Tendenz, die in der Übersetzungsgeschichte als ,verfremdende
Übersetzung’ bezeichnet wird, war einerseits maßgebend für die Bereicherung der
eigenen Sprache und Literatur, andererseits wurde damit erzielt, dass Deutschland zu
einer führenden Kulturnation wurde. (vgl. Huyssen: 1969: 152) Wie Goethe in diesem
Zusammenhang betont,
„(...) liegt es in der deutschen Natur, alles Ausländische in seiner Art zu würdigen
und sich fremder Eigentümlichkeiten zu bequemen. Dieses und die große Fügsamkeit
unserer Sprache machen denn die deutschen Übersetzungen durchaus treu und
vollkommen.“ (Goethe zit.n. Mounin, 1967:45)
Wie aus dem Zitat deutlich zu ersehen, wird die Übertragung des Fremden in die
eigene Sprache als eine positive Eigenschaft aufgefasst, die gegenüber dem Original als
ein Zeichen der Treue aufgefasst wird. Was wird hier mit der Fremdheit und Treue
impliziert? Um diese Frage zu beantworten, müssen in diesem Zusammenhang
Schleiermachers Auffassungen untersucht werden. In seinem Artikel „Über die
verschiedenen Methoden des Übersetzens“ vertritt Schleiermacher die ,verfremdende
Übersetzungsmethode’, indem er zwei Wege für den Übersetzer vorschlägt:
„Entweder der Übersetzer lässt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt
den Leser ihm entgegen; oder er lässt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den
Schriftsteller ihm entgegen.“ (Schleiermacher, 1973: 47)
Schleiermacher entscheidet sich für den ersten Weg, weil er der Ansicht ist, dass
die Eigentümlichkeiten des Originals nur mit einer wörtlichen Übersetzung treu
wiedergegeben werden können. Obwohl die wörtliche Übersetzung als eine
rationalistische Begründung angesehen werden kann, gehört diese Einstellung der
,romantischen Auffassung’. Denn die Aufmerksamkeit der romantischen Schriftsteller¬
Übersetzer gilt mehr dem ,Fremden’ als dem ,Eigenen’. Im Gegensatz zu den
Rationalisten der Aufklärung sind nicht die Erwartungen der Leser und die Lesbarkeit der
Übersetzung ein entscheidendes Kriterium, „(... ) sondern die Fähigkeit des Übersetzers,
dem fremden Sprachduktus zu folgen und ihm in seiner Muttersprache wiederzugeben.“
(Zima, 1996: 21) Somit wird die Zielorientiertheit der Übersetzung, die in der Aufklärung
vertreten wurde in der romantischen Epoche mit der ausgangssprachlichen Orientiertheit
überwunden. Mit anderen Worten, nicht der Zieltext, sondern der Ausgangstext und seine
Normen werden bei der Übersetzung bestimmend. Die entscheidende Frage ist aber, wie
sich die Rationalität und die romantische Auffassung auf die Übersetzung in der
Aufklärung und Romantik widerspiegeln. Wenn man die beiden Auffassungen kritisch
betrachtet, kann man feststellen, dass die Rationalität der Aufklärung im Hinblick auf die
Sprache, aber nicht auf die Übersetzung eine Gültigkeit besitzt. Ein Beweis dafür ist die
,Untreue’ zum Originaltext. Wenn eine Übersetzung, ohne Rücksicht auf den Originaltext
übersetzt wird, bedeutet dies, dass die sprachlichen Eigenschaften, die die Einheit prägen
nicht berücksichtigt werden. Das führt dann dazu, dass die Logik und die sprachlichen
Regeln des Originaltexts verändert werden. Man könnte generalisieren und sagen, dass
die Rationalität der Aufklärung im diesem Sinne ,irrationalistische’ Züge aufweist. Das
gleiche gilt auch für die Irrationalität’ der romantischen Übersetzungsauffassungen. Die
These von Schleiermacher, die auf die Abhängigkeit von Denkweise und Sprache beruht,
macht das Übersetzen zu einer ,unmöglichen’ Aufgabe. Schleiermacher setzt sich mit
diesem Problem auseinander, mit der sich schon Humboldt intensiv beschäftigt hatte. In
seiner „Einleitung zu Agamemnon“, die 1816 erschien, betont Humboldt, dass die
„Übersetzung eine gewisse Farbe der Fremdheit“ (Humboldt, 1973: 83) an sich zu tragen
hat. Auch Schleiermacher sieht die Fremdheit als eine unentbehrliche Vorraussetzung, die
in einer Übersetzung zur Sprache kommen muss. Denn
„(...) nur durch die vielseitigste Berührung mit dem fremden (kann die Sprache,
F.Y.) recht frisch gedeihen und ihre eigene Kraft vollkommen entwickeln.“
(Schleiermacher, 1973: 69)
Wie ersichtlich, beabsichtigen sowohl die Schriftsteller-Übersetzer der Aufklärung
als auch die der Romantik die Bereicherung der Sprache und Literatur durch die
Übersetzung. Aber der Weg, den sie einnehmen unterscheidet sie voneinander. Anders als
die Aufklärer vertreten die Romantiker die Ansicht, dass die deutsche Sprache nicht
durch Einbürgerung, wo der Übersetzer die ,freie’ Entscheidung besitzt, den Originaltext
zu verändern, sondern vielmehr durch die Erhaltung des Fremden bzw. den
„eigentümlichen Geist“ (Schleiermaher, 1973: 68) der fremden Sprache zu bereichern ist.
Wenn man die Auffassungen von Novalis, der Brüder Schlegel und von Schleiermacher
eingehender betrachtet, stellt man fest, dass die irrationale Beziehung zwischen den
Sprachen, die sie einmalig macht, einen rationalistischen Hintergrund hat. Die
Romantiker versuchen die Logik des Originaltextes und seine ganzheitliche Makro- und
Mikrostruktur in der Übersetzung wieder neu aufzubauen. Dagegen haben die Aufklärer
ihre eigene Logik in die Übersetzung übertragen und somit eine ,irrationale’ Beziehung
zwischen Ausgangstext und Zieltext erstellt. Aus dieser Perspektive betrachtet, bemerkt
Zima, dass die Unterscheidung zwischen der Rationalität der Aufklärung und der
Irrationalität der Romantik „als zwei Seiten einer Münze aufzufassen“ ist. (Zima, 1996:
19) Doch sollte hier bemerkt werden, dass jede Seite gleichzeitig auch Eigenschaften und
Aspekte der anderen Seite besitzen kann, die ihre Grenzen überschreitet.
III. Die Auflösung der Polarität im zwanzigsten Jahrhundert
Im zwanzigsten Jahrhundert wird die Auseinandersetzung zwischen der
rationalistischen und romantischen Tendenz in der Übersetzungswissenschaft unter
anderen Begriffen auf verschiedenen Ebenen weitergeführt. Bezeichnend für diese
Problematik ist die Tatsache, dass in diesem Jahrhundert außer literarischen und heiligen
Texten auch andere Texttypen, wie z.B. wissenschaftliche, fachsprachliche Texte oder
Gebrauchstexte in den Mittelpunkt rücken. An dieser Stelle wäre es angebracht zu fragen,
wie man diese gegenüberstehenden Tendenzen aus wissenschaftlicher Perspektive
begründen kann und wie sich im zwanzigsten Jahrhundert der Übersetzungsdiskurs von
den traditionellen Auffassungen unterscheidet. In der Übersetzungswissenschaft, die sich
anfangs des zwanzigsten Jahrhundert noch in einer Entstehungsphase befand und unter
der Linguistik und Literaturwissenschaft untergeordnet wurde, gab es verschiede
Definitionsbemühungen, die stark von diesen Bereichen geprägt wurden. Es soll nun auf
theoretischer Basis versucht werden zu zeigen, welche Begriffe man aus rationalistischer
und romantischer Hinsicht interpretieren kann.
Wie schon vorher betont, wurden bis zum zwanzigsten Jahrhundert
Diskussionsthemen wie Übersetzbarkeit-Unübersetzbarkeit, freies-treues Übersetzen,
Wiederholbarkeit-Einmaligkeit, Gewinn-Verlust, Verfremdung-Einbürgerung mehr
philosophisch als methodisch untersucht. Diese Einstellung hat dann auch dazu geführt,
wie Wilss mit Recht feststellt, dass
„(... ) übersetzungswissenschaftliche Begriffs- und Terminologiebildung sich
vielmehr langsam, in kleinen Schritten, am Rande der linguistischen Szenerie der
fünfziger Jahre in vorsichtigen theoretischen und methodischen Probierbewegung
abgespielt (hat).“ (Wilss, 1977: 8)
Akademische Forschungen, wie im Bereich der Maschinenübersetzung, haben den
Bedarf nach einer wissenschaftlichen Begründung beschleunigt. Anstelle von
Erklärungen, die sich auf abstrakte und generelle Gegensätze beruht haben, wurden
konkrete Kriterien und Themen wie z.B. Äquivalenz-Akzeptabilität, ziel- und
ausgangssprachliche Orientierung, außersprachliche-innersprachliche Elemente, parole¬
lingua und Text-Rezeption geschaffen. Anhand von diesen und anderen Begriffen sollen
im Folgenden nun die Gemeinsamkeiten aufgezeichnet werden, die mit dem
rationalistischen und romantischen Ansatz übereinstimmen.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wendet sich das Interesse der
Übersetzungstheoretiker an die Struktur der Sprache. Unter dem Einfluss linguistischer
Arbeiten wurde das Übersetzen als ein Kodierungs- und ein Dekodierungsprozess
betrachtet. Sonach war die Oberflächenstruktur einer Sprache in eine andere Sprache
problemlos übertragbar. Diese Einstellung beruhte auf der Einheit des sprachlichen
Zeichens bzw. des Wortes und des Bildes, auf die schon Saussure hingewiesen hatte.3 Da
die Bilder in unserer Welt als ,konkrete’ Wahrnehmung für jeden Menschen gleichwertig
und unveränderlich akzeptiert wurde, genügte es bei der Übersetzung nur die
sprachlichen Zeichen der jeweiligen Sprache zu ändern. Diese Auffassung, die das
Übersetzen als eine mechanische Umwandlung interpretierte, ist eine Folge der
rationalistischen Perspektive. Auch in Chomskys , Generativer
Transformationsgrammatik’, wo die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache
außerhalb der Oberflächenstruktur in der Tiefenstruktur thematisiert werden, wird „(...)
eine logisch begründete Theorie über das Denken der Menschen (...)“ (Stolze, 1993: 34)
beabsichtigt, die wiederum einen rationalistischen Hintergrund besitzt. Die
Rationalitätsauffassung beruht auf dem Ursprung und der Funktionalität der Sprachen,
die in jeder Sprache als gleichwertig bewertet wurde. Aus dieser Perspektive betrachtet,
unterliegt Chomsky auch dem traditionellen Konzept der strukturellen
Sprachwissenschaft.4 Mit diesem Konzept, die die Sprache allgemein als ein sprachliches
Zeichensystem interpretiert, wird die Unübersetzbarkeit, die seit dem 18. Jahrhundert von
Übersetzern-Schriftstellern wie Goethe, Novalis, Schleiermacher, Humboldt und Brüder
Schlegel als eine wichtige Problematik angesehen wurde, überwunden.5 Dabei spielt die
Vervielfältigung der Texttypen im zwanzigsten Jahrhundert eine große Rolle. Andere
Texttypen/-sorten wie Gebrauchstexte, fachsprachliche und wissenschaftliche Texte
finden in diesem Jahrhundert mehr Bedeutung. Im akademischen Ausbildungsbereich hat
man sich intensiver mit diesen Texten beschäftigt. Der steigende Bedarf auf dem
Arbeitsmarkt in diesen Bereichen hatte zur Folge, dass literarische Übersetzungen von
Übersetzer weniger bevorzugt wurden.6
Die Wende, die im 20. Jahrhundert stattfand, hat auch damit zutun, dass in diesem
Jahrhundert eine Tendenz zur Wissenschaftlichkeit entstand, die mit Kriterien wie
Beweisbarkeit, Erklärbarkeit, Wiederholbarkeit, Neutralität zu erklären sind. Alle diese
Werte stehen für eine rationalistische Einstellung, die ihren Ursprung in der Aufklärung
hat. Daher spielen für Sprachwissenschafter Kriterien wie Äquivalenz (Gleichwertigkeit),
Kohärenz (Sinnzusammenhang eines Texts, Relation zwischen Sachverhalten), Kohäsion
(oberflächlich manifestierter Zusammenhang, sinnsemantischer Aufbau eines Textes),
Adäquatheit (Angemessenheit) eine relevante Rolle in ihren Theorien.
Ein anderer Punkt, der nicht unerwähnt bleiben sollte, ist die Betonung der
außersprachlichen Elemente in der Sprachwissenschaft. Weil ein Text nicht nur aus
innersprachlichen Elementen besteht, ist es auch unmöglich einen Text ohne
innersprachliche Elemente zu verfassen bzw. zu übersetzen. Die Orientierung nach den
verhaltens-, kommunikations- und kulturorientierten Ansätzen in der Sprachwissenschaft
hat diese Einstellung in diesem Bereich und somit auch in der Übersetzungwissenschaft
verändert. Auch das Bewusstsein, das die Sprache in einer historisch-bestimmten Kultur
eingebettet ist, wurde als Beweis für die permanente Entwicklung der Sprache angesehen.
Schon Humboldt, der die romantische Übersetzungsauffassung stark geprägt hat, hat auf
die Historik der Sprache und die Trennung von Zeichen und Wort angedeutet. Wie Boris
Buden in seinem Buch „Der Schlacht von Babel“ in diesem Zusammenhang bemerkt,
lässt sich nach Humboldts Auffassung
„(...) ein Wort nie auf ein Zeichen zurückführen. (...) Deshalb stellt Übersetzen auf
der Ebene des Zeichens kein Problem dar. Dieses taucht erst auf einer anderen Ebene auf,
nämlich auf der Ebene des Wortes.“ (Buden, 2005: 29)
Walter Benjamin führt diese These im zwanzigsten Jahrhundert noch weiter und
vertritt die Ansicht, dass das ,Wort’ als ,Form’ der Sprache einmalig zu bewerten ist. In
seiner im Jahre 1923 verfassten berühmten Abhandlung „Die Aufgabe des Übersetzers“
unterscheidet er, um diesen Zustand zu beschreiben zwischen dem „Gemeinten“ und der
„Art des Meinen“. (Benjamin, 1973: 161) Sonach sei z.B. im deutschen bzw.
französischen Wort „(...) ,Brot’ und ,pain’ das Gemeinte zwar dasselbe, die Art, es zu
meinen, dagegen nicht.“ (Benjamin, 1973: 161)
Die linguistisch-orientierten Übersetzungswissenschaft, die im Mittelpunkt der
Übersetzung eine universale Perspektive gestellt hat, verliert mit Arbeiten von J. Loe
Weisgerber, Benjamin Lee Whorf und E. Sapir ihre Bedeutung. Diese Wissenschaftler,
die den Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur untersucht haben, weisen auf die
Raum- und Zeitbezogenheit der Sprache hin. Das führte zu dem Ergebnis, dass jede
Sprache als Widerspiegelung des Weltbildes einmalig ist. Somit wurde die
Übersetzbarkeit, die von den strukturalistischen Linguisten vertreten wurde, in Frage
gestellt. Denn die Einmaligkeit einer Sprache widerspricht der ‘Universalität’ der
Sprachen. Diesem Ansatz liegt die Behauptung zugrunde, dass die ‘Originalität’ eines
Textes in einer anderen Sprache nicht wiederholbar ist. Diese ‘Originalität’ eines Textes
wird mit strukturellen Eigenschaften einer Sprache begründet, die sich in der Grammatik
der Sprache widerspiegelt. Diese Problematik ist eines der wichtigsten Anhaltpunkte des
linguistischen Relativitätsprinzips. (vgl. Koller, 1997: 171) Auch in der Aufklärung
wurde die Grammatik als Zeichen der einheitlichen Sprachen angesehen, die aber ganz
andere Folgen hatte. Obwohl die Aufklärer in der Grammatik eine Einheit zwischen den
Sprachen suchten, sahen die Sprachwissenschaftler Sapir/Whorf die Grammatik als
Beweis der Ungleichheit der Sprachen. Ähnliche Auffassungen kommen schon auf eine
verschiedene Art und Weise intensiv in der Romantik vor. Zweifellos kann hier von einer
direkten Analogie nicht gesprochen werden. Obwohl die ,unübersetzbare’ ‘Originalität’
der Texte in beiden Auffassungen vertreten wird, gibt es in manchen Punkten
tiefgreifende Unterschiede. Denn die Originalitätsauffassung der Romantik bezieht sich
auf die ästhetischen/künstlerischen Eigenschaften literarischer Texte. Aus diesem Grund
ist nicht der Rezipient, sondern das Werk im Mittelpunk der Übersetzung. Demgegenüber
ist die Originalitätsauffassung der Sprachwissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts
kommunikations- und kulturbedingt. Mit anderen Worten, die Sprache wird von ihrer
funktionellen Seite bewertet, die sich auf den Rezipienten bezieht. Die Wirkung der
Sprache, die beim Rezipienten eine Reaktion hervorruft, ist in diesen Theorien
bestimmend. Diese Wirkung wird auch als ein Bestandteil der ‘Originalität’ bewertet.7
Eines des relevantesten Diskussionsthemas, die im zwanzigsten Jahrhundert
mannigfaltig geführt wird, ist die Äquivalenzproblematik, die mit der Originalitäts- und
Universalitätsauffassung in Zusammenhang gesetzt werden kann. Obwohl der
Äquivalenzbegriff von Theoretiker unterschiedlich definiert und mit verschiedenen
Adjektiven wie formale, stilistische, dynamische, formale, funktionelle differenziert
wurde,8 ist hier die entscheidende Frage, wie der Zusammenhang zum
ausgangssprachlichen Text steht. Wenn die Übersetzungsnormen der Ausgangssprache
dominieren bzw. die Treue zum Original entscheidend ist, ist die Originalitätsauffassung
im Vordergrund. Wendet sich der Übersetzer der Zielsprache, so wird die
Universalitätsauffassung gerechtfertigt.9 Ferner kann behauptet werden, dass die
Bestimmung der Übersetzungsnormen uns zeigt, welche Tendenz in der Übersetzung
explizit zur Sprache kommt. Wie schon in dieser Arbeit hingewiesen, spielt neben der
Originalitätsauffassung auch die Stellung zur Übersetzbarkeitsproblematik eine sehr
große Rolle. Wenn man davon ausgeht, dass die ausgangssprachlichen Normen die
Übersetzung prägen, kann von einer Unübersetzbarkeit gesprochen werden. Denn die
Unübersetzbarkeit stützt sich auf die Bewahrung der ausgangssprachlichen Werte, die
nicht oder nur teilweise in eine andere Sprache übertragbar ist. Die Ansätze, die auf eine
universalistische Tendenz verweisen, betonen, dass von einer Sprache in eine andere
Sprache alles übersetzbar ist. ,Deskriptive Arbeiten’ von Toury und Even-Zohar sowie
die funktions- und zielorientierte ,Skopostheorie’ von Vermeer können in diesem Sinne
aufgefasst werden. Nach diesen Theorien ist jeder Text, der von der Zielkultur als
Übersetzung angesehen wird, ohne dass ein Vergleich zum Originaltext erstellt wird, als
Übersetzung definiert.10 Anders ausgedrückt heißt das, dass alles übersetzbar ist. Der
Ausgangspunkt dieser Theorien ist die Funktionalität und die Beschreibung der Gründe,
die eine Übersetzung beeinflussen. Während Vermeer die Funktionalität einer
Übersetzung aus der Perspektive des Lesers und des Auftraggebers interpretiert und sich
auf den Übersetzungsprozess konzentriert, wenden sich deskriptive Arbeiten mehr dem
Übersetzungsprodukt und den historischen Wirkungen sowie der Rolle der Übersetzung
in der Zielkultur zu. Die hier erwähnten Theorien, die die Übersetzung aus zielorientierter
Perspektive bewerten, zeichnen eine universalistische Übersetzungsauffassung aus, die
nicht die Sprache, wie die Aufklärer, sondern die Kultur in den Mittelpunkt stellen.
Eine bemerkenswerte Einstellung zur Originalitäts- und Universalitätsauffassung,
die noch genannt werden sollte, finden sich in Walter Benjamins Ansatz. In seinem schon
erwähnten Aufsatz finden sich interessante Ansichten, die man sowohl zur Originalitäts-
als auch zur Universalitätsauffassung zuordnen kann. In diesem Aufsatz, den Benjamin
1923 als Vorwort zu seinen Baudelaire-Übertragungen verfasste, wird die klassische
Reflexion und Polarität über die Beziehung zwischen dem ausgangs- und zielsprachlichen
Text kritisch betrachtet. Wie er selbst betont, ist „(...) die Frage nach der Übersetzbarkeit
eines Werkes doppelsinnig“ (Benjamin, 1973: 157) zu interpretieren. Benjamin begründet
die Unübersetzbarkeit eines Textes mit der Formbezogenheit der Sprachen. Diese
Formbezogenheit führt dazu, dass das „Dichterwort des Originals (nicht übertragbar ist),
weil das Verhältnis des Gehalts zur Sprache völlig verschieden in Original und
Übersetzung (ist).“ (Benjamin, 1973: 162) Daraus resultiert, dass
„(...) alle Übersetzung nur eine irgendwie vorläufige Art ist, sich mit der
Fremdheit der Sprachen auseinanderzusetzen, (. ) die den Menschen versagt (bleibt)
(...).“ (Benjamin, 1973: 162)
Diese Aussage verweist auch in dieser Hinsicht indirekt auf die Fremdheit der
Sprachen, die für den Übersetzer anzustreben ist, die aber paradoxerweise nicht
erreichbar sei. Die Aufgabe des Übersetzers richtet sich auf diese Fremdheit, die
einerseits „unberührbar“ (Benjamin, 1973: 162) sei. Hier finden wir im Rahmen der
Unübersetzbarkeit eine Analogie, die der Romantiker A. W. Schlegel als eine
„unendliche Annäherung“ (Huyssen, 1969: 170) bezeichnet hat. Obwohl die Romantiker
und Benjamin das Übersetzen als eine ,unerreichbare’ Handlung ansehen, die das
Übersetzen ,unmöglich’ macht, besitzen beide Seiten den Glauben an die Möglichkeit der
Übersetzung. Benjamin begründet diese Möglichkeit mit der gemeinsamen Herkunft der
Sprachen, die ein Beweis der „Verwandtschaft der Sprachen“ (Benjamin, 1973: 159) ist.
Diese Verwandtschaft, die nur durch das Übersetzen in Erscheinung treten kann, nennt
Benjamin die , reine Sprache’, die der Übersetzer zur Reife bringen muss, um seine
eigentliche Aufgabe zu erfüllen. Doch scheint diese Aufgabe „niemals lösbar, in keiner
Lösung bestimmbar.“ (Benjamin, 1973: 164)
Die reine Sprache symbolisiert für Benjamin zugleich das Ideal der Übersetzung.
Sie ist aber nicht mit der Ähnlichkeit der Sprachen gleichzusetzen. Benjamin beschreibt
die ,reine Sprache folgendermaßen:
„(...) alle überhistorische Verwandtschaft der Sprachen (beruht) darin, dass in ihrer
jeden als ganzer jeweils eines, und zwar dasselbe gemeint ist, das dennoch keiner
einzelnen von ihnen, sondern nur der Allheit ihrer einander ergänzenden Intentionen
erreichbar ist.“ (Benjamin, 1973: 161)
Anders ausgedrückt, das Zusammentreffen der Sprachen in der Übersetzung
ermöglicht die ,reine Sprache’. Es stellt sich auch hier heraus, dass mit der Übersetzung
nicht nur das Original ,fortlebt’, sondern wie Benjamin paradox ausgedrückt, das
Original durch die Übersetzung zum originalen Werk wird. Denn das Original verdankt
der Übersetzung sein Dasein, indem sie mit ihr „(...) das Leben des Originals seine
erneute späteste und umfassendste Entfaltung (erreicht).“ (Benjamin, 1973: 159) Somit
wird eine Abhängigkeit zwischen dem Originaltext und der Übersetzung hingewiesen.
Wie ersichtlich, wird bei Benjamin sowohl die ‘Originalität’ als auch die
‘Universalität’ in der Übersetzung aus verschiedenen Perspektiven vertreten. Benjamin ist
der Ansicht, dass die ‘Originalität’ eines Textes auf die ,Art des Meinens’ beruht, die den
„(...) Worte(n) einen Gefühlston mit sich führ(t)“ (Benjamin, 1973: 165) und die daher in
keiner Sprache übertragbar ist. In der These Benjamins, die schon oben angeführt wurde,
wird auf die Unübersetzbarkeit hingewiesen, die das „Fortleben“,11 sowohl des Originals,
als auch der Übersetzung zur Folge hat. Denn eine „(...) undefinierbare Ähnlichkeit
zweier Dichtung, (...) (erweist) die Unmöglichkeit einer Abbildungstheorie.“ (Benjamin,
1973: 160) Aus allen diesen Zitaten geht deutlich hervor, dass in Benjamins Ansatz
einerseits die ‘Originalität’ im Mittelpunk seiner Übersetzungsreflexion steht,
andererseits die Universalitätsauffassung nicht ausgeschlossen wird. Wie Buden mit
Recht darauf hinweist, setzt Benjamin „(...) - sowohl das Original als auch die
Übersetzung - der Diskontinuität historischer Zeit aus.“ (Buden, 2005: 67)
Somit haben sich, wie obige Darstellungen bestätigend gezeigt haben, in der
Übersetzungsgeschichte Übersetzer direkt oder indirekt mit der Originalitäts- und
Universalitätsauffassung auseinandergesetzt. Diese Problematik wurde hier in
Zusammenhang mit der Übersetzbarkeit, der Beziehung zwischen Treue und Freiheit zum
originalen Text und der ausgangssprachlichen und zielsprachlichen Orientierung
diskutiert. Dabei wurde festgestellt, dass sowohl literarische als auch linguistische
Ansätze mannigfaltig interpretiert werden können. Es wäre verfehlt, mache Ansichten
und Tendenzen, die in manchen Epochen zu sehen sind als standfeste Kriterien oder
Begriffe zu nehmen. Viele Begriffe, die in einer Epoche eine dominante Stellung
besitzen, sind, wie oben festgestellt, relativ bestimmt. Daher sind meist die Grenzen
zwischen der ‘Originalität’ und der ‘Universalität’ unklar zu unterscheiden. Am
deutlichsten kommt diese Feststellung bei Benjamin zur Sprache, der die traditionelle
Einteilung überwindet und ein neues Konzept in diesem Sinne erstellt. Dieses Konzept,
dass auch auf romantische Züge verweist und dialektisch beschrieben wird, bringt neue
Ansichten in die Übersetzungswissenschaft.
Schlussfolgernd kann die Ansicht vertreten werden, dass rationalistische und
irrationalistische Anschauungen in der Übersetzung, die als Grundlagen der
„Universalität“ und ‘Originalität’ genommen werden können in der zeitgenössischen
Übersetzungstheorien ihre Bedeutung verloren haben. Wenn man im romantischen Sinne
jedes Werk als eine Übersetzung in eine menschliche Sprache akzeptiert, tragen sowohl
originale als auch übersetzte Werke universelle und originelle Eigenschaften. Diese
Eigenschaften voneinander zu trennen und zu abstrahieren würde die Vieldeutigkeit eines
Werkes verhüllen, die auch mit Hilfe der Übersetzungen in Erscheinung treten. Denn jede
Übersetzung bereichert das Originale, indem sie ihre ‘Universalität’ und ‘Originalität’
betont.
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11S
Sprachen wie Griechisch, Latein und Französisch wurden von manchen Sprachwissenschaftlern als
Vorbild und Ausgangspunkt für alle Sprachen genommen, um eine einheitliches Zeichensystem zu schaffen.
(vgl. Stolze, 1993: 29)
In diesem Sinne wurden im 17. und 18. Jahrhundert in Frankreich Übersetzungen angefertigt, die
man belles infidèles nannte. Nach dieser Auffassung wurden Übersetzungen als französisches Kulturgut
angesehen. Aus diesem Grund wurden Handlungen, Personen, Daten in der Übersetzung verändert, um das
Original ,verschönernd’ übertreffen zu können. Daher wurde alles aus dem Originaltext weggelassen, was der
französischen Kultur fremd war. Eine ähnliche Einstellung ist in der römischen Antike zu sehen, wo
griechische Texte als Mittel für die Entwicklung der lateinischen Sprache und Literatur bewertet wurde. (vgl.
Seele, 1995: 8-9)
Obwohl Saussure in seine Arbeiten auf die ‘parole’ und ‘lingua’ Einteilung hingewiesen hat, hat er
die subjektive Seite, die er mit ‘parole’ bezeichnete nicht ausführlich bearbeitet. Sein Interesse galt mehr der
allgemeinen Regeln der Sprache, die unter dem Begriff ‘lingua’ untersucht wurde. Vgl. Berke Vardar:
Dilbilimin Temel Kavram ve Ýlkeleri. TDK Yay. 492, Ankara, 1982.
Weil Saussure und Chomsky allgemeine Regeln und Strukturen in der Sprache in den Vordergrund
ihrer Ansichten stellten, konzentrierten sie sich auf die ,parole’. Mit der individuellen oder historischen
Eigenschaften der Sprache, die die ,lingua’ Seite der Sprache ausmacht, hat man sich nicht intensiv
beschäftigt. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann behauptet werden, dass ,lingua’ die rationelle und somit
die universelle, ,parole’ dagegen die irrationelle Seite der Sprache und somit die ‘Originalität’ der Sprache
hervorhebt.
Doch muss hier bemerkt werden, dass diese Übersetzer/Schriftsteller hauptsächlich sich auf
literarische Texte konzentriert haben. Diese Texte, die nicht nur vom Inhalt, sondern auch von der Form des
Textes bestimmt werden, stellen als Texteigenschaft ästhetische Werte in den Mittelpunkt. Ausführliches
über das Übersetzen von literarischen Texten siehe dazu: Jiri Levy: Die literarische Übersetzung. Athenaeum
Verlag, Bonn, 1963.
Das hängt auch damit zusammen, dass andere Texte im Arbeitsmarkt besser bezahlt werden und
eine lange Arbeitszeit benötigen als Übersetzungen von literarischen Texten, die im Gegensatz zu anderen
Texttypen mehr Erfahrung und Wissen in diesem Bereich voraussetzen. Denn, um literarische Texte zu
übersetzen, muss der Übersetzer sowohl die stilistischen Eigenschaften des Schriftstellers, der Epoche, die
Eigenschaften der Gattung, als auch über historische, biographische, kulturelle und politische Kenntnisse
verfügen, die den Hintergrund und Inhalt des Textes prägen.
Im 20. Jahrhundert wird die Wirkung eines Textes ein wichtiges Kriterium bei heiligen Texten.
Eugene A. Nida versucht diese Wirkung der Sprache, die in jeder Kultur anders eingebettet ist, in der
Übersetzung inhaltlich beizubehalten. Um diese Wirkung auch für den zielsprachlichen Rezipienten zu
erreichen, vertritt Nida die Ansicht, dass bei einer gleichwertigen Übertragung eines Textes in eine andere
Sprache die sprachlichen Zeichen sich ändern müssen. Denn diese Zeichen sind kulturbedingt, deren
Bedeutung sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. Aus diesem Grund ist das Konzept der ,dynamischen
Äquivalenz’, die die Gesamtintention der Botschaft dem Rezipienten überträgt eine Voraussetzung für das
Übersetzen. Nida berücksichtigt dabei nicht nur die sprachlichen, sondern auch die außersprachlichen
Elemente eines Textes, die nicht mit einer wörtlichen Übersetzung aufgefasst werden können. Da jeder Text
Teil eines soziokulturellen Phänomens ist, muss er sich beim Übersetzen den zeilsprachlichen
Kulturbedingungen anpassen. Aus dieser Perspektive betrachtet, widerspiegelt Nidas Ansatz die
Universalitätsauffassung in der Übersetzung, die die Übersetzbarkeit eines Textes ermöglicht. Denn jeder
Text ist durch Bearbeitungen und Umschreibungen semantisch in eine andere Sprache übersetzbar. Nida setzt
der formalen Äquivalenz’ eine zielsprachlich orientierte ,dynamische Äquivalenz’, gegenüber, die bei der
Übersetzung die ausgangssprachlichen Textelemente berücksichtigt. (vgl. Wilss, 1977: 108) Daher wäre es
nicht falsch die Meinung zu vertreten, dass die ,dynamische Äquivalenz’ der Universalitätsauffassung und
die formale Äquivalenz’ der Originalitätsauffassung zugehört. Näheres über die ,dynamische Äquivalenz’
siehe: Eugene A. Nida: Das Wesen des Übersetzens. In: Wolfram Wilss (Hrsg.): Übersetzungswissenschaft.
Darmstadt, 1981, S. 123-147.
Vgl. Werner Koller: Einführung in die Übersetzungswissenschaft. Wiesbaden, Quelle und Meyer
Verlag, 1997.
Toury unterstützt in diesem Sinne die These, dass die Beziehung der Übersetzung zur Ziel- oder
Ausgangssprache für die Bewertung der Übersetzung relevant ist. Seiner Auffassung nach ist eine
Übersetzung akzeptabel, wenn sie die Zielsprache und deren Normen widerspiegelt. Dagegen ist eine
Übersetzung adäquat, wenn sie überwiegend von der Ausgangssprache und deren Normen bestimmt wird.
Ausführlicheres dazu siehe:
Gideon Toury: Çeviri Normlarýnýn Doðasý ve Çevirideki Rolü. (Übrs. v.: A. Eker). In: Mehmet Rifat
(Hrsg.): Çeviri(bilim) Nedir? Baþkasýnýn Bakýþý. Dünya Yayýnlarý, Ýstanbul, 2004, S. 233-252.
In der Skopostheorie wird sogar eine Übersetzung, ohne dass ein Vergleich zum Originaltext
erstellt wird als Übersetzung angesehen. Das hängt damit zusammen, dass Vermeer das Übersetzen nicht nur
als sprachliche, sondern vielmehr als eine kulturelle Übertragung in die Zielsprache interpretiert. (vgl.
Vermeer, 2004: 265) Eine parallele Beziehung findet sich auch bei Toury. (vgl. I§m-Bengi: 1999: 14)
Obwohl Toury bei der Bewertung den ausgangssprachlichen Text, um die Normen festzustellen,
mitberücksichtigt ist der Zieltext immer im Vordergrund. Nach Vgl. Even-Zohar „Polysysytem“ spielen die
zielkulturellen Bedingungen eine große Rolle, die die Funktion und den Sinn der Übersetzung in der
Zielkultur bestimmen. (vgl. Even-Zohar: 2004: 192-193)
Wie Benjamin bemerkt, wandeln sich nicht nur große Dichtungen, sondern auch Übersetzungen in
Ton und Bedeutung. (vgl. Benjamin, 1973: 160) Aus diesem Grund kann kein Werk, das als ein Bestandteil
der Geschichte ist, als ein fixiertes Phänomen betrachtet werden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass
auch die Sprache der Übersetzung wie die Sprache des Originales sich immanent verändert.